Das hohenzollersche Militär
Irgendwo in Frankreich, im Ersten Weltkrieg, hockten Infanteristen in einer überfüllten Kantine zusammen, wo an einem Tisch noch ein Platz frei war. Es tritt ein weiterer Feldgrauer herein, erspäht diesen Platz, steuert drauf zu und will sich hinsetzen. Aber das lassen die anderen nicht zu, der Platz sei für einen Kameraden freigehalten. "Aber ich bin doch wohl auch ein Kamerad?" Das schon, aber der Stuhl warte auf einen hohenzollernsches Soldaten. - Ebenfalls in Frankreich, im gleichen Krieg, erfährt ein Mann aus Sigmaringen, dass es hinter der Front deutsches Bier gäbe, und sofort verbreitet er die Neuigkeit unter den Kameraden, unter den hohenzollernsches, versteht sich. Die Wackeren säumen nicht und kommen zu ihrem Bier, einer seltenen Gabe, bevor die "anderen" davon erfahren. - Ob diese Hohenzollern alle zum "Füsilierregiment Nr. 40 Fürst Karl von Hohenzollern" gehörten, wissen wir nicht; die meisten wohl, denn in dieser Einheit, zuerst in Köln und Trier, in unserem Jahrhundert dann in Rastatt, dienten die meisten Männer aus Hohenzollern, und während diese Zeilen geschrieben werden, leben vielleicht noch eine Handvoll von ihnen, keiner unter neunzig. Noch in unseren 50er und 60er Jahren versammelten sich ein paar hundert von ihnen einmal im Jahr. Sie waren schon die Enkel jener ersten, die sehr ungern, und nach 1850 sogar erst unter Protest, sich bereit finden mussten, so fern ihrer Heimat zu dienen. Bis 1849 hatten sie's leichter, bis dahin gab es ein eigenes hohenzollernsches Militär, und auch das ist wieder so eine hohenzollernsches Einmaligkeit: die beiden Fürstentümer unterhielten die kleinste militärische Einheit im Deutschen Bund nach 1815, das hohenzollersche Bataillon mit Garnison in Sigmaringen. Aber bevor wir davon erzählen, steigen wir zunächst viel tiefer in die Vergangenheit hinab und sehen Beauftragte des Grafen Eitelfriedrich von Zollern im Jahr 1576 Waffen und Ausrüstungen in Straßburg einkaufen: Harnische, Panzerhandschuhe, Schützenhauben, Hakenbüchsen samt zugehörigen "Schwammschlössern" (denn die Büchsen wurden mit trockenem Zunderschwamm gezündet), Pulverflaschen, 200 Spieße und vieles mehr. Vielleicht gehört ein Teil der gewaltigen Waffensammlung auf Schloss Sigmaringen (sie soll die größte Europas in privater Hand sein) noch zu jener Straßburger Ausstattung. Aber zunächst diente sie zum Schutz der Burg Hohenzollern, und jedenfalls bot die Hochzeit des Grafen Johann Georg in Hechingen im Jahr 1598 die Gelegenheit jene Straßburger Waffen, die 3.000 Gulden gekostet hatten, in einem großen militärischen Schauspiel zu zeigen. 500 Hechinger Soldaten zogen mit dem Festzug, dazu kam als Gast und Verwandter Graf Karl II. von Sigmaringen mit einer großen Reiterschar, und beides zusammen dürfte den Begriff hohenzollernsches Militär eindrucksvoll demonstriert haben.
Den Kopf hinhalten mussten alle diese Soldaten aber nie, das war den Enkeln vorbehalten, als 1633 die Schweden im Verband mit Württemberg die Hechinger Lande besetzten; Sigmaringen auch, wo, wie es scheint, das Schloss ohne große Gegenwehr besetzt und halb verbrannt wurde. Nicht so am Zoller, den ein geborener Hechinger verteidigte, der Feldleutnant Stettmund. Es zeigte sich, dass die Burg uneinnehmbar war, solange die Besatzung zu essen hatte. Neun Monate hielten sie durch, dann zwang sie der Hunger zur Kapitulation - und dass die Württemberger mit den Schweden gemeinsame Sache machten und dafür den Zoller "zum Geschenk" bekamen, wenn auch nur für kurze Zeit, mag zu dem bis heute noch spürbaren Misstrauen der Hohenzoller gegen "selle Wirteberger" beigetragen haben!
In der Sigmaringer Waffensammlung hängt auch ein "schwedischer" Reitermantel, jedenfalls hielt man ihn bis vor kurzem dafür. Inzwischen hat sich in den 90er Jahren eine kleine Zahl von Reitern daran gemacht, nach einer Tradition zu suchen. Sie sind auch fündig geworden, und seither ist der Mantel nicht mehr schwedisch. Man fand nämlich, dass nach dem 30-jährigen Krieg und gewiss unter seinem furchtbaren Eindruck, das Militärwesen im ganzen Reich neu organisiert wurde. Damit entstand in Oberschwaben (der Begriff reichte damals viel weiter, bis zum Schwarzwald) ein "Katholisches Kreisregiment zu Fuß" unter dem Obersten Graf Max zu Fürstenberg. Sigmaringen musste dazu 49 und einen halben Soldaten aufbringen. Zugleich wurde auch das Katholische Reiterregiment gegründet, wozu das Fürstentum Sigmaringen sechzehn Mann stellen musste. Auf diesem Reiterregiment gründen sich jetzt seit wenigen Jahren die "Hohenzollern-Kürassiere" mit ungefähr ebenso vielen Reitern wie damals. Sie tragen gelbe Uniformen, allerdings nach einem Schnitt, der erst hundert Jahre später bekannt ist durch einen kleinen Kupferstich aus dem Jahr 1786. Als Michael Gorbatschow 1989 Stuttgart besuchte, paradierten dort, zusammen mit anderen berittenen Garden und Wehren, auch die Hohenzollern-Kürassiere.
(Aus: Walther Frick, Das war Hohenzollern. Ein Lesebuch. Horb a.N. 21994. S.59-61 [Geiger-Verlag])
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